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Charly und Tante Lotte

Charly hatte nie so richtig Lust auf Schule. Immer wenn  Prüfungen auf dem Lehrplan standen, wurde Charly krank. Auch vor dem Sportunterricht drückte es sich wegen seiner Leibesfülle ständig. Er fühlte sich in seiner Klasse überhaupt nicht wohl. Fast täglich wurde er von seinen Mitschülern gehänselt und das Lernen viel ihm schwer. Am liebsten wollte er gar nicht mehr zur Schule gehen. Bis eines Tages seine Tante Lotte vor der Tür stand.

 

Sie konnte es nicht mehr mit ansehen, wie ihr Neffe unter der Situation litt und schlug ihm vor, doch einige Tage bei ihr auf dem Land zu verbringen.

Charly war nicht abgeneigt. Tante Lotte wohnte in einem schönen Holzblockhaus, mit Blick zum See und  riesigen Garten. Sie hatte Kaninchen, einen fetten Kater und einen Schäferhund. Tante Lotte selbst war von zierlichem Wuchs und ungeahnter Zähigkeit. So nahm sie sich also fachkundig ihres Gastes an. Noch vor dem Abendessen- in gemütlicher Plauderrunde- holte sie alles aus Charly heraus, was sie wissen wollte. Sie musste doch herausfinden, wo dem Bengel der Schuh drückte.

Am nächsten Morgen wurde ein Tagesplan erstellt. Denn so Tante Lotte- Regellosigkeit ist die Hauptursache nervöser Erkrankungen. Ganz zum Leidwesen von Charly. Er dachte, er könne hier ausschlafen, auf dem großen Sessel, der auf der Veranda stand, lümmeln und abends bis in die Puppen fernsehen. Doch da hat er nicht mit seiner Tante gerechnet.

Jeden Morgen um Punkt 08.00 Uhr polterte sie in Charlys Zimmer und kreischte laut: „Aufgewacht, die Sonne lacht und angetreten zum Frühsport!“ Diesen Satz sagte sie auch, wenn es draußen in Strömen regnete. Ist schon ne ulkige Tante, dachte Charly und quälte sich aus den Federn. Sport war für Charly Mord. Er litt an extremem Übergewicht und wurde in der Schule von seinen Kameraden stets gehänselt. Vor dem Sportunterricht drückte sich Charly gern. Mit Ausreden wie, Bauchschmerzen, Blasen an den Füßen und Händen oder akuten Kopfschmerzen konnte er das Körpertraining locker umgehen. Doch bei Tante Lotte hatte er nicht so leichtes Spiel. Beim alltäglichen Morgenlauf, zehn Runden ums Haus, war er danach fix und alle. Am 3. Tag versuchte Charly dann doch zu mogeln. Ha, da kannte er aber Tante Lotte nicht. Die Folge war ein Zusammenprall an der Hausecke, wo sie dem kleinen Schummler auflauerte. Kawumm…Charly war frontal auf Tante Lottes Busen geprallt, der üppig unter ihrer bunten Kittelschürze saß. Tante Lotte trug gerne bunte Schürzen und dazu meist grasgrüne Gummistiefel. Ein lustiger Anblick. Durch den wuchtigen Zusammenprall war Charly die schöne „Harry Potter Brille“, die er zu Weinachten von seinem Vater aus den Staaten geschickt bekommen hatte, von der Nase geflogen. Charly brauchte die Brille, denn ohne sie war er blind wie ein Maulwurf. Charly bückte sich und mit seinen Händen tastete er sanft den Gartenboden ab. Nichts. Tante Lotte hatte die gute Brille mit ihren grasgrünen Gummistiefeln mittlerweile im weichen Boden versenkt. Wütend über sich selbst und über den Verlust seiner coolen Brille, flitzte er ins Haus und schlug die Tür seines Zimmers mit Schwung hinter sich zu. Hier saß er nun und wusste nicht so recht, was er anstellen sollte. Ohne Brille nahm er seine Umgebung sowieso nur zur Hälfte war und lesen….das konnte er völlig vergessen. Da vernahm er ein Klopfen an der Tür. Tante Lotte stand im Raum und sagte: „Nun zieh dich schnell um und lass uns ins Dorf fahren. Da wartet eine Überraschung auf dich!“

Na toll, dachte Charly…jetzt muss ich auch noch halb blind ins Dorf fahren und die Überraschung werde ich auch nur zur Hälfte sehen, wenn überhaupt.

Nach einer halben Stunde machten sich Tante Lotte und Charly auf den Weg ins Dorf. Im Dorf angekommen, betraten sie gleich das Geschäft von Herrn Linse. Herr Linse war der einzige Optiker im Dorf. Er war schon ein alter Mann mit schneeweißem Haar und er trug einen lustigen Zwirbelbart. Im rechten Auge klemmte ein Monokel. Herr Linse betrachtete Charly skeptisch und fragte dann mit tiefer, rauer Stimme: „Na Bürschchen, was kann ich denn für dich tun?“ Charly holte tief Luft und wollte gerade anfangen, ihm von dem Missgeschick heute Morgen zu berichten, als Tante Lotte sagte: „Guten Tag Herr Linse, mein Neffe braucht unbedingt eine neue Brille! Seine alte ist nicht mehr so schön und außerdem wäre es mal wieder an der Zeit, sein Sehvermögen zu testen!“ Charly sah Tante Lotte mit weit aufstehendem Mund an. Damit hatte er nun gar nicht gerechnet. Herr Linses Mundwinkel fingen an zu zucken und mit einem Lächeln auf den Lippen sagte er: „Hm, so, fein…! Dann lass uns mal schauen, ob wir etwas Passendes für dich finden.“ Er folgte Herrn Linse in den hinteren  Teil des Ladens. So viele Brillen auf einem Haufen hatte er noch nie gesehen. Charly probierte diese und jene. Nach einer guten Stunde hatte er endlich ein schickes Nasenfahrrad für sich gefunden. Das Gestell war schlicht gefertigt und die Gläser waren aus Kunststoff. Auch Tante Lotte war mit dem Geschmack ihres Neffens zufrieden. Charly sah damit ganz anders aus. Nicht mehr so schüchtern und bubihaft. Charly war stolz auf seine Errungenschaft.

Eines Abends, es regnete in Strömen machte es sich Charly im Wohnzimmer vor dem Fernseher gemütlich. Gleich kam seine Lieblingsserie „Die Simpsons“! Voller Erwartungen kuschelte er sich in die Frottee Decke und klick…was war das? Kein Bild, kein Ton? Charly sprang auf und erblickte Tante Lotte, die mit der Fernbedienung mitten im Raum stand. Für sie war Fernsehen Gift. Vor allem um diese Uhrzeit. Also schickte sie Charly um 20.00 Uhr mit entwaffnender Freundlichkeit in sein Zimmer. Statt seine Augen vor der Flimmerkiste zu verderben, sollte er doch lieber seine Nase in die Schulbücher stecken. Wie langweilig, dachte Charly. Zu Hause bei durfte er stundenlang in die Röhre glotzen. Er wünschte, er wäre jetzt zu Hause. Mit dem Gedanken und starken Heimweh im Herzen, schlief er mit seinem Mathebuch ein.

Am nächsten Morgen, am Frühstückstisch rutschte Charly auf seinem Stuhl hin und her. Er biss in sein Vollkorntoast und die Marmelade verteilte sich in seinem Gesicht. Tante Lotte zog ihre Augenbraue hoch und sah ihn mit großen Augen an. „Na junger Mann, wohl Hummeln im Hintern?“ fragte sie mit ihrer rauen Stimme. Morgens war ihre Stimme besonders gruslig fand Charly. „Nö, wieso?“ antwortete er gereizt. „Warum zappelst du dann so? „Musst wohl mal für kleine Matrosen?“ Für kleine Matrosen, was Tante Lotte doch alles für komische Ausdrücke kannte. Zum Telefon sagte sie zum Beispiel „Sabbelknochen“, zum Bügeleisen „Blädbrett“ und zum Durchfall „Flotter Otto“. Charly konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Seine Tante  wusste genau, dass Charly etwas auf dem Herzen hatte. Plötzlich nahm er allen Mut zusammen, räusperte sich kurz, wobei er sich fast an einer Toastkrume verschluckte und sah seiner Tante tief in die Augen. „Darf ich dich etwas fragen?“ brachte er mit piepslicher Stimme hervor. „Klar!“ entgegnete sie. „Heute Abend ist doch das große Fußballspiel und das wird live im Fernsehen übertragen!“ sprudelte es aus ihm heraus. Dabei fingen seine Augen an zu leuchten. „Aha! Und? Du willst mich fragen ob du das Spiel ansehen darfst?“ Charly nickte und in ihm wuchs die Hoffnung auf ein dickes, fettes JA von seiner Tante. „Nein!“ fauchte sie Charly ins Gesicht. „Du weißt, dass die Flimmerkiste schädlich für dich ist“. Wenn du magst, dann kaufe ich dir morgen die lokale Sportzeitung und da kannst du alles über das Fußballmatch nachlesen!“ Steck deine Nase lieber in die Schulbücher!“ war ihr Schlussappell.

Super, dachte Charly. Seine Augen hatten mittlerweile den Glanz verloren. Er musste mit den Tränen kämpfen und in seinem Hals hatte sich ein dicker Kloß gebildet, an dem er gleich zu ersticken drohte. Charly sprang auf und rannte in sein Zimmer. Wieder flog die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss. Er schmiss sich auf sein Bett, knautschte das Kissen und versuchte sich selbst zu ersticken. Als er keine Luft mehr bekam riss er den Kopf hoch und sah zum Fenster.

Plötzlich kam ihm eine Idee. Er rappelte sich auf, schlich zum Fenster und öffnete es. An der Hauswand war ein Rosenspalier angebracht. Hier konnte man perfekt herunterklettern. Ein verschmitztes Lächeln huschte über sein Gesicht. Also würde er am Abend Tante Lotte sagen, dass er auf das Fußballspiel verzichtet und dass lernen für die Schule wirklich wichtiger ist. Dann würde er sich in sein Zimmer zurückziehen, ein paar Minuten verharren und dann aus dem Fenster klettern. Am Rosenspalier hinabklettern, dann hinüber zum alten Schuppen flitzen und das alte Fahrrad von Tante Lotte stibitzen. Damit ins Dorf radeln und dann bei Rudis-Pommesbude das Spiel live im Fernsehen verfolgen. Ein perfekter Plan.

Charly konnte es kaum erwarten. Den ganzen Tag schon, schlich er um Tante Lotte herum wie eine lästige Schmeißfliege. Er brachte ihr eine Tasse Tee, brachte den Müll raus und übernahm den Abwasch vom Mittagessen. Endlich war es Abend. Seine Stullen schlang er hinunter als hätte er tagelang nichts zu essen bekommen. Danach sauste er ins Badezimmer, schlüpfte in seinen Pyjama und bürstete seine Zähne. Schließlich wollte er später mal nicht so aussehen wie Tante Lotte heute. Fertig! Nun flitzte er zurück in die Küche. Tante Lotte saß noch immer am Tisch und zog genüsslich an ihrer Zigarette. Sie staunte nicht schlecht als Charly „bettfertig“ vor ihr stand. „Na nu? Hab ich vielleicht irgendetwas verpasst?“ fragte sie. „Nö!“ entgegnete Charly. Sie stand auf, drückte ihm einen feuchten guten Nachtkuss auf die Stirn und löschte das Licht. Dann begab sich auf das Sofa, schaltete den Fernseher ein und wartete auf die Tagesschau.

Charly lief schnurstracks die Holztreppe hinauf in sein Zimmer. Geschafft. Er setzte sich auf das quietschende Bett, ließ die Beine baumeln und starrte auf die Zeiger seines Weckers. 5 vor 8! Charly hopste vom Bett schlich zur Tür und lauschte. Er konnte den Fernseher hören und Tante Lotte verfolgte gerade mit großer Aufmerksamkeit den Wetterbericht. Nun aber nichts wie los. Schnell zog er sich seinen Jogginganzug über, schlüpfte in die Turnschuhe und kletterte auf die Fensterbank. Charly hangelte sich langsam am Rosenspalier hinab. Die instabilen Latten brachen zu Charlys Glück erst, als er fast schon in Bodennähe war. Mit einem lauen Krawumm krachte er ins Blumenbeet.

Aufgeschreckt vom tosenden Lärm kam Tante Lotte in den Garten gerannt. Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als sie das Unheil sah. Charly saß zwischen den Blumen und auf ihm stapelten sich die kaputten Latten. „Um Gottes Willen, Charly!“ rief Tante Lotte entsetzt. „Was hast du nun wieder angestellt?“ Ihre Stimme zitterte leicht, genau wie ihre Hände. „Junge, hast du dir wehgetan? Ist alles in Ordnung?“ Charly schluchzte ein kaum hörbares ja. Langsam krabbelte er aus dem Beet und mit Hilfe seiner Tante konnte er sich schnell aus der misslichen Lage befreien. Sein Kopf und sein rechter Arm schmerzten. Tante Lotte brachte Charly in die Küche. Sie setzte ihn auf den Stuhl und knipste das Licht an. Jetzt war das Ausmaß an Verletzungen erst deutlich zu sehen. Am Kopf hatte Charly eine große Beule und an Armen und Beinen Schürfwunden. Doch das war noch nicht alles. Überall steckten kleine Rosenstacheln in seiner Haut. Er sah aus wie ein kleines Stachelschwein. Tante Lotte nahm den Verbandskasten aus der Kommode und suchte krampfhaft nach einer Pinzette. Nun begann sie langsam und Stück für Stück die Stacheln zu entfernen. Es ziepte fürchterlich und Charly heulte wie ein Schlosshund. Nach unendlich langen Minuten waren alle Stacheln gezogen. Jetzt bekam er noch ein großes Pflaster auf den Arm. Perfekt.

Am nächsten Morgen brummte sein Schädel fürchterlich. Die große Beule an seinem Kopf, hatte über Nacht Farbe bekommen und leuchtete nun für alle sichtbar in einem dunklen Blau. Jeder Zentimeter seines Körpers schmerzte. Langsam schlürfte er sich zum Frühstückstisch, wo Tante Lotte bereits auf ihn wartete. Lautlos schob er sich auf seinen Stuhl und hoffte, das das Donnerwetter, welches gleich über ihn hineinbrechen würde nicht all zu laut ausfallen würde. Stille! Charly hob den Kopf und sah seine Tante an. Diese blieb ruhig, und mit leiser Stimme fragte sie: „Na, wie geht es dir? Hast du Kopfschmerzen? Tut dir was weh?“ Wie konnte Tante Lotte so blöde Fragen stellen, schoss es Charly durch den Kopf. Sie wusste doch ganz genau, wie es um ihn stand. „Gut, glaube ich“ antwortete er brav. Er hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen. „Entschuldige bitte, Tante Lotte! Ich wollte deine Rosen nicht kaputt machen!“ stammelte er. „Doch ich wollte so gern das Fußballspiel sehen!“ Er schluchzte und dicke Tränen kullerten über seine Wangen. Bei diesem Anblick wurde ihr ganz warm ums Herz. Sie stand auf, ging um den Tisch herum hinüber zu Charly und tätschelte sanft seinen Kopf. „Es wird alles wieder gut“ sagte sie und wischte mit einer Ecke ihrer Kittelschürze die Tränen aus seinem Gesicht. „Versprich mir, dass du so etwas nie wieder tust!“ Charly nickte und hob seinen linken Arm, streckte den Zeige- und Mittelfinger aus und sagte: „Ich schwöre!“ Den rechten Arm hatte er auf seinem Rücken versteckt und hielt Zeige- und Mittelfinger gekreuzt. Aber das konnte Tante Lotte ja zum Glück nicht sehen.

„Versprochen, großes Indianer-Ehrenwort!“ fügte er zum Schluss noch hinzu.

Von nun an verbrachten Charly und Tante Lotte jeden Tag viel intensiver miteinander. Es wurde gebastelt, gespielt und gelernt. Auch das kaputte Rosenspalier wurde wieder aufgebaut.

Die Tage wurden zu Wochen und Charly war nicht mehr wieder zuerkennen. Er stand früh morgens beim ersten Hahnenschrei auf, absolvierte seinen Frühsport, der sich um einiges erweitert hatte, und er fiel abends tot müde ins Bett. Er hatte eine tolle Gesichtsfarbe bekommen, da er den ganzen Tag an der frischen Luft verbrachte, und er hat deutlich an Gewicht verloren.

Doch auch die schönste Zeit ist mal vorbei. Seine Mutter machte sich auf den Weg, um ihren Sprössling abzuholen. Sie staunte und war begeistert, wie sehr sich ihr Charly verändert hatte. Charly erzählte seiner Mutter von all den tollen Sachen, die er mit Tante Lotte erlebt hatte. Den Sturz vom Rosenspalier ließ er natürlich aus. Er wolle nun ganz schnell wieder zur Schule gehen und den anderen Kindern zeigen, was aus ihm geworden ist. Er hatte keine Angst mehr vor dem Sportunterricht, da er bei Tante Lotte gut abgespeckt hatte und durch den Frühsport gelernt hatte, wie gut Bewegung dem Körper tut. Die Prüfungsangst war auch verflogen, denn man musste nur ordentlich lernen und jeden Abend vor dem Schlafengehen noch einmal in die Bücher oder Hefter schauen. Dann war alles gar nicht so schwer.

 Seine Mutter  umarmte ihren Schützling und drückte ihn fest an sich. „Ich bin stolz auf dich“ flüsterte sie ihm ins Ohr.      

Autorin: Jana

 

 

 

 

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